Baugrundgrundrisiko ist nicht (pauschal) Auftraggeberrisiko!

Insbesondere im Bereich von Tiefbauarbeiten entsteht häufig erbitterter Streit, wenn sich der vorgefundene Baugrund anders darstellt, als ihn die Parteien beschrieben bzw. erwartet hatten. Grund hierfür sind einerseits die möglicherweise gravierenden Auswirkungen für das Bauvorhaben in planerischer und zeitlicher Hinsicht und andererseits die damit einhergehenden Kostenmehrungen für beispielsweise zusätzlich erforderlich Leistungen oder höhere Entsorgungskosten. Die Auswirkungen beschränken sich dabei häufig nicht nur auf den Tiefbau, sondern betreffen das gesamte Bauvorhaben.

Im Rahmen derartiger Auseinandersetzungen fällt gerne die Aussage „Baugrundrisiko ist Auftraggeberrisiko“. Ob diese Aussage so stimmt und welche Belange hierbei zu berücksichtigen sind, soll im Folgenden beantwortet werden:

So viel sei vorweggenommen, die vorstehende Aussage gilt in dieser Pauschalität nicht.

Ausgangspunkt für die Bewertung dieser Aussage ist die im Einzelfall geschlossene vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien und insbesondere die darin enthaltene Leistungsbeschreibung. Dabei lassen sich zwei wesentliche Konstellationen unterscheiden:

  1. Der Auftraggeber hat den Baugrund genau beschrieben und diese Beschreibung stellt sich als unzutreffend heraus.
  2. Der Auftraggeber hat den Baugrund nicht beschrieben bzw. ausdrücklich unverbindliche Angaben gemacht und der Auftragnehmer ging im Rahmen der Angebotserstellung einseitig von einer gewissen Beschaffenheit des Baugrunds aus und hat ein Angebot abgegeben.

In der ersten Konstellation gehen notwendige Mehrkosten zulasten des Auftraggebers. So hatte beispielsweise das OLG Hamm (Urteil vom 17.02.1993 – 26 U 40/92) entschieden:

„Wird in einer Ausschreibung der Baugrund eindeutig nach DIN 18300 in Bodenklassen vorgegeben, so braucht der Bauunternehmer Erschwernisse durch andere Bodenverhältnisse nicht einzukalkulieren.

Bei Vorgabe bestimmter Bodenklassen ist der Bauunternehmer weder verpflichtet, selbst Baugrunduntersuchungen anzustellen, noch muß er sich ein Baugrundgutachten vorlegen lassen.

Der Auftraggeber trägt die durch das Antreffen schwierigerer als im Leistungsverzeichnis beschriebener Bodenklassen entstehenden Mehrkosten nach Behinderungsregeln und Schadenersatzgrundsätzen.“

Gleiches gilt bei der Einholung eines Baugrundgutachtens durch den Auftraggeber, welches sich nachträglich als unzutreffend herausstellt (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 20.10.2022 – 12 U 132/21; BGH, Beschluss vom 21.06.2023 – VII ZB 206/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))

„Für Fehler in einem vom Auftraggeber in Auftrag gegebenen Baugrundgutachten ist der Auftraggeber verantwortlich. Er trägt als Eigentümer des Baugrundstücks das Baugrundrisiko.“

In der zweiten Konstellation lässt sich allgemein sagen, dass der Aushub geschuldet ist, welcher tatsächlich vorgefunden wird. So führt das OLG Bamberg in seiner Entscheidung vom 09.10.2019 – 4 U 185/18 – BGH, Beschluss vom 09.03.2022 – VII ZR 246/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) überzeugend aus:

„Wird der Baugrund in der Leistungsbeschreibung nicht näher beschrieben und werden insbesondere keine Einschränkungen bezüglich der Bodenklassen gemacht, ist der Aushub des jeweils vorgefundenen Bodens geschuldet und von der vereinbarten (Pauschal-)Vergütung umfasst. Das gilt auch dann, wenn dem Auftragnehmer keine konkreten Erkenntnisse über die Baugrundverhältnisse vorliegen.“

Gleiches gilt, wenn die Leistungsbeschreibung offenkundig nicht abschließend ist. So entschied das OLG München (Urteil vom 11.02.2014 – 9 U 5582/10 Bau):

„Wer bei einer offenkundig und eindeutig unklaren Erkenntnissituation über die Verhältnisse im Boden als Auftragnehmer einen Einheitspreis für alle „Bodenarten und -schichten des Quartärs“ vereinbart, übernimmt damit auch das Baugrundrisiko für Rollkies aus dem Quartär.“

Hiervon zu unterscheiden sind jedoch reine Mengenmehrungen. Haben die Parteien einen Einheitspreisvertrag geschlossen, können etwaige Mengenmehrungen nach § 2 Abs. 3 VOB/B unter den jeweiligen Voraussetzungen geltend gemacht werden. Mehrkosten für bspw. eine aufwändige Entsorgung, sind jedoch vom angebotenen Einheitspreis abgegolten.

Für öffentlichen Auftraggeber gilt gemäß § 7 Abs. 1 (EU) VOB/A, dass Bieter kein unnötiges Wagnis auferlegt werden darf. Dies setzt bei Tiefbauarbeiten in der Regel voraus, dass der vorzufindenden Baugrund (bspw. in Form von Bodenklassen oder Schadstoffe) beschrieben werden muss. Hält sich der öffentliche Auftraggeber nicht daran, mag hierin ein Vergabeverstoß vorliegen. Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis und die Berechtigung von etwaigen Nachträgen hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 29.11.2022 – 21 U 71/22) allerdings ausdrücklich verneint, denn:

„Selbst wenn der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an die Aufstellung der Leistungsbeschreibung nach § 7 Abs. 1 VOB/A 2019 missachtet, sind die Erschwernisse von dem Vertrag erfasst, mit denen nach dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters gerechnet werden musste. Kann der Auftragnehmer die Unvollständigkeit des Leistungsverzeichnisses erkennen, kann er diesbezüglich später keine veränderte Vergütung verlangen.

Ein Auslegungsvertrauen auf Einhaltung der VOB/A-Vorschriften scheidet aus, wenn ein Vergabeverstoß für den Bieter erkennbar ist oder wenn er auch ohne Angaben in der Ausschreibung eine ausreichende Kalkulationsgrundlage hat.“

Insofern lassen sich folgende entscheidende Punkte festhalten:

  • Bieter haben die Ausschreibungsunterlagen genau zu prüfen, ob im Bereich Baugrund versteckte Risiken in Form einer ungenauen oder fehlenden Beschreibung der Bodenverhältnisse enthalten ist.
  • Fehlen solche Angaben, kann im Verhältnis zu einem öffentlichen Auftraggeber eine Rüge erfolgen, da die Leistungsbeschreibung entgegen § 7 Abs. 1 (EU) VOB/A erfolgte. Ansonsten sind vertragliche Regelungen zu finden, welche das Risiko auf beide Seiten verteilen oder kalkulierbar machen.
  • Bei fehlenden Angaben zum Baugrund sollten Auftragnehmer zudem Bedenken anmelden und auf mögliche Risiken hinweisen.
  • Auftraggebern ist daher zu empfehlen, den Baugrund im Sinne eines reibungslosen Ablaufs bestmöglich zu beschreiben und im Übrigen ausgewogene Vertragsklauseln zur Verteilung des Risikos von unvorhergesehenen Änderungen auf beide Vertragsparteien zu verwenden. 
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