Beginnt es bei einem Bauvorhaben zwischen den Parteien zu „knirschen“, ist in den meisten Fällen die Vergütung der Auslöser. Der Auftraggeber ist der Auffassung, die Leistungen seien vollständig beauftragt, der Auftragnehmer schulde ein funktionales Werk und im Übrigen liege überhaupt keine nachträgliche Änderung vor. Auftragnehmer dagegen meinen, dass weitere Leistungen notwendig sind, eine andere Planung ausgeführt werden soll oder mehr Mengen als ursprünglich angesetzt notwendig werden. In einer aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 09.02.2023 – 24 U 77/21) hierzu Stellung genommen:
„Ob der nach den allgemeinen Regeln vorleistungspflichtige Unternehmer die Leistungsaufnahme von der Zusage einer gegebenenfalls höheren Vergütung abhängig machen darf, ist nach § 242 BGB aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen gemäß der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wobei insbesondere die zu erwartenden Erschwernisse für den Unternehmer, der Umfang der in Rede stehenden Vergütungserhöhung und unter Berücksichtigung des Kooperationsprinzips auch das wechselseitige Verhalten der Vertragspartner zu berücksichtigen sind.„
Mittlerweile ist es insbesondere bei ausführenden Gewerken gängige Praxis, dass unverzüglich Nachtragsangebote vorgelegt werden. Dabei finden sich teilweise Sätze wie „Die weitere Ausführung hängt von der Beauftragung des Nachtragsangebotes ab.“ oder „Wir beginnen mit unseren Leistungen erst nach einer Anzahlung von 50% der Angebotssumme.“. Aus rechtlicher Sicht widersprechen diese Aussagen allerdings zwei wesentlichen Leitgedanken des Werkvertragsrechts.
- Der Auftraggeber besitzt ein Leistungsbestimmungs- und Anordnungsrecht.
- Der Auftragnehmer ist vorleistungspflichtig.
Diese Leitgedanken finden sich auch im „neuen“ § 650b BGB wieder. Danach hat der Auftragnehmer ein Angebot vorzulegen und die Parteien sollen eine Einigung anstreben. Wird diese jedoch nicht erreicht und ordnet der Auftraggeber die Leistung in Textform an, muss der Auftragnehmer auch ohne Nachtragsvereinbarung die Leistung ausführen und erhält allenfalls 80% der Angebotssumme als Abschlagszahlung für nachgewiesene erbrachte Leistungen.
Weigert sich nun der Auftraggeber einen Nachtrag zu beauftragten und stellt eine zusätzliche Vergütung für die zu erbringenden Leistungen vollständig in Abrede, kann sich im Einzelfall aus dem Kooperationsgebot ein Leistungsverweigerungsrecht ergeben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bereits in der Bauphase ersichtlich wird, dass der Werklohn gerichtlich durchgesetzt werden muss. Für die Anwendung dieses Leistungsverweigerungsrecht ist im Einzelfall eine Abwägung der folgenden Belange durchzuführen:
- Der Umfang der Nachtragsleistung sowie damit einhergehenden Erschwernisse,
- Die Höhe der streitigen Vergütung im Verhältnis zum Gesamtauftrag
- Das wechselseitige Verhalten der Vertragsparteien (bspw. überhöhtes Angebot)
Die Leistungsverweigerung kann im Einzelfall ein wirksames Mittel zur Durchsetzung von Nachtragsforderungen sein. Wichtig ist aber eine vorherige umfassende Würdigung der Situation, denn eine unberechtigte Leistungsverweigerung kann den Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigten, was unter anderem mit weiteren Schadensersatzforderungen einhergehen kann.
Bei einer Nachtragsstreitigkeit nach § 650b BGB ist der Auftragnehmer in der Regel erst nach dem ergebnislosen Ablauf der Verhandlungsphase und der Anordnung in Textform zur Leistungserbringung verpflichtet. Insbesondere an der Anordnung in Textform fehlt es häufig. Solange diese nicht vorliegt, können Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht ausüben. Ob diese Leistungsverweigerung gerechtfertigt ist, hängt dann entscheidend davon ab, ob ein es sich insgesamt um eine Nachtragsleistung im Sinne des § 650b Abs. 1 BGB handelt.