Vergaberechtliche Äpfel & Birnen – Vergleichbarkeit von Angeboten und wann liegt eine Änderung der Vergabeunterlagen vor?

Die Änderung von Vergabeunterlagen sowie der damit einhergehende grundsätzliche Angebotsausschluss ist ein Dauerthema in der vergaberechtlichen Praxis.

Unter der Änderung der Vergabeunterlagen versteht man grundsätzlich die Abweichung des Angebotes von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen. Dabei muss ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen vorliegen, welcher bei dessen Hinwegdenken zu einem unvollständigen Angebot führt.

Sollte ein derartiges Abweichen im Rahmen der Angebotsprüfung festgestellt werden, ist das Angebot des betroffenen Bieters zwingend auszuschließen. Im Sinne des Wettbewerbes und der Transparenz dürfen nur diejenigen Angebote den Zuschlag erhalten, welche den Vergabeunterlagen entsprechen. 

Im Gegensatz hierzu sind Angebote, die von den Vergabeunterlagen abweichen nicht zwingend, auszuschließen, wenn bei der Streichung der vorgenommenen Änderung weiterhin ein vollständiges Angebot vorliegt. Somit ist die Ergänzung oder Streichung hinwegzudenken und das verbleibende Angebot auf seine Konformität mit den Vergabeunterlagen zu überprüfen.

Liegen durch eine Änderung der Vergabeunterlagen lediglich Unklarheiten oder Widersprüche vor, ist dem jeweiligen Bieter im Wege der Aufklärung die Gelegenheit zu bieten, um die Unklarheiten aus der Welt zu schaffen. Dem Auftraggeber steht dabei ein Ermessen zu, ob die Aufklärung erfolgreich war.

Der klassische Fall, dass ein Bieter seine eigenen AGB dem Angebot beifügt, führt somit nicht mehr zwingend zum Angebotsausschluss, soweit sich der Bieter im Rahmen der Aufklärung entsprechend von seinen AGB distanziert.

Klassische Fälle der Änderung der Vergabeunterlagen sind weiterhin beispielsweise

  • die Streichung oder Ergänzung von einzelnen Leistungspositionen,
  • die Streichung oder Ergänzung von Produktvorgaben,
  • die Nichterfüllung von Vorgaben an die Leistung durch die angebotene Leistung,
  • die Einreichung eines Nebenangebotes trotz Ausschluss von Nebenangeboten

Angebot von abweichenden Produkten
In einem aktuellen Fall vor der VK Nordbayern (Beschluss vom 30.01.2023 – RMF-SG21-3194-7-32) hatte ein Bieter ein Produkt für eine Leistungsposition im Rahmen einer Bauvergabe angeboten. Diesem Produkt fehlte allerdings eine der insgesamt vier geforderten Schnittstellen. Der öffentliche Auftraggeber hat das Angebot daraufhin ausgeschlossen. Der Bieter wehrte sich gegen den Ausschluss unter anderem mit dem Argument, dass für die geforderte und von seinem Produkt nicht abgedeckte Schnittstelle keine Verwendung vorgesehen sei. Im Übrigen sei die Schnittstelle auch veraltet gewesen. Die Vergabekammer ist diesen Argumenten nicht gefolgt und hat den Bieter auf das Stellen von Bieterfragen verwiesen. Diese seien das adäquate Mittel zur Aufklärung von Zweifeln in den Vergabeunterlagen.

Abweichende Konzeptinhalte
Bei einer weiteren häufigen Fallkonstellation im Bereich „Änderung der Vergabeunterlagen“ legt der Bieter seinem Angebot Aspekte zugrunde, die in den Vergabeunterlagen so nicht enthalten sind.  Besondere Vorsicht ist hier bei der Erstellung von Konzepten an den Tag zu legen. Bei der Beschreibung wie eine Leistung erbracht werden soll, ist die Fehlerrate besonders hoch, dass von eigenen Erwägungen ausgegangen wird und diese Vorgaben der Vergabeunterlagen widersprechen.   

Unklare Vergabeunterlagen
Eine Abweichung von den Vergabeunterlagen kann jedoch nur vorliegen, wenn beanstandete Aspekt auch zweifelsfrei Niederschlag in den Vergabeunterlagen gefunden hat. Einseitige Vorstellungen des öffentlichen Auftraggebers führen nicht zu einer Änderung der Vergabeunterlagen. Im Gegenteil sind Unklarheiten der Vergabeunterlagen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers auszulegen. Bietern ist hier allerdings das Instrument der Bieterfrage anzuraten, um etwaige Unklarheiten vor Angebotsabgabe aufzuklären.

Änderungen durch ein Begleitschreiben
Eine Änderung der Vergabeunterlagen kann auch durch ein Begleitschreiben herbeigeführt werden. Wenn ein Bieter im Rahmen eines Begleitschreibens sein Angebot erklärt und dabei von Umständen ausgeht, die von den Vergabeunterlagen abweichen, stellt dies eine unzulässige Änderung des Angebotes dar.

Abweichung von Vorgaben zur Angebotsgestaltung
Eine weitere Kategorie bildet die Nichtberücksichtigung von Vorgaben zur Kalkulation oder Gestaltung der Angebote. Derartige Vorgaben sollen insbesondere die Vergleichbarkeit der Angebote sicherstellen. Werden beispielsweise Kalkulationsvorgaben von einem Bieter nicht eingehalten, ist dessen Angebote insofern nicht vergleichbar mit den Angeboten der weiteren Bieter, was eine Bewertung der Wirtschaftlichkeit ausschließt. Daher sind derartige Angebote von der weiteren Wertung auszuschließen.

Abschließende Empfehlung
Wenngleich der Ausschluss bei Änderung von Vergabeunterlagen durch das Erfordernis eines manipulativen Eingriffs etwas entschärft worden ist, so stellt dies weiterhin eine der häufigsten Fehlerquellen bei Vergabeverfahren dar. Abhilfe kann hier insbesondere eine ausführliche Sichtung der Vergabeunterlagen sowie das Stellen von Bieterfragen schaffen. Durch strategisch sinnvolle Bieterfragen können sich Bieter entscheidende Vorteile sichern und zu einem vergleichbaren Wettbewerb beitragen.

Öffentlichen Auftraggebern ist zu empfehlen, betroffene Angebote in erster Linie nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Sollte sich durch die Auslegung keine Klärung herbeiführen lassen, kann im Wege der Aufklärung festgestellt werden, ob die Änderung der Vergabeunterlagen manipulativ ist und das Angebot auszuschließen ist.  

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Dominik Kraft
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Dominik Kraft ist Rechtsanwalt im Vergaberecht und Fachanwalt im Bereich des Bau- und Architektenrechts

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